Weihnachtsansprache Dieter Engel 2015

Das Schöne und Besondere an der Advents- und Weihnachtszeit ist, dass die Menschen überall Kerzen aufstellen, und wenn die Kerzen brennen, dann verbreiten sie mit Knistern und Flackern eine angenehme Atmosphäre und ein warmes Licht. Wenn es dann richtig still ist, was manchmal in der hektischen Zeit auch vorkommen sollte, dann hört man, wie zum Beispiel die vier Kerzen am Adventskranz miteinander zu reden beginnen.

Die erste Kerze seufzt und sagt: „Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet, aber  die Menschen halten keinen Frieden.“  Ihr Licht wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz.

Die zweite Kerze flackert und sagt: „Ich heiße Glauben. Aber ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne.“ Ein Luftzug wehte durch den Raum und die zweite Kerze war aus.

Leise und traurig meldet sich nun die dritte Kerze zu Wort. „Ich heiße Liebe.   Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich an die Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie lieb haben sollen.“  Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.

Da kommt ein Kind in das Zimmer. Es schaut die Kerzen an und sagt: „Aber, aber, Ihr sollt doch brennen und nicht aus sein!“ Und fast fängt es an zu weinen.

Da meldet sich auch die vierte Kerze zu Wort. Sie sagt: „Hab keine Angst! Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden.  Ich heiße Hoffnung.“

Mit einem Streichholz nimmt das Kind Licht von dieser Kerze und zündet die anderen Lichter wieder an.

Hoffnung ist etwas, was uns das ganze Leben begleitet. Ohne Hoffnung, ohne das letzte Licht in uns, wären viele Lebenssituationen wohl nicht zu ertragen. Wer kennt das nicht, wer hat das noch  nicht erlebt, wer war nicht sogar schon einen Schritt weiter und hat gesagt oder gedacht, die Situation, meine Situation, ist hoffnungslos? Aber selbst wenn man etwas als hoffnungslos ansieht, steckt doch immer noch das Wort „Hoffnung“ in der augenblicklichen Gefühlslage. Es flackert daher noch etwas, an dem man die anderen wichtigen menschlichen Werte wieder entzünden kann, auch wenn man im derzeitigen Gefühlschaos nicht fähig ist, an etwas zu glauben, sich an etwas Höherem festzuhalten und den Glauben an sich selbst ganz vergessen oder aufgegeben hat. Genauso verhält es sich mit dem Frieden und der Liebe. Wenn man tief im Schlamassel steckt, wie kann man da Frieden mit sich selbst machen oder sich sogar selbst lieben, von Frieden und Liebe zu den Mitmenschen in unserer Umgebung mal ganz abgesehen.

Aber ohne Hoffnung würden wir verzweifeln, und wie viele verzweifelte Menschen sind schon zu uns, zum Freundeskreis gekommen. Mit den Problemen am Arbeitsplatz oder dem Verlust desselben, mit den Problemen in der Familie oder mit der Trennung von Frau und Kindern, mit den Schulden, mit den täglichen Lügen, mit dem sozialen Abstieg und mit der Vereinsamung. Aber auch wenn ein Mensch noch so niedergeschlagen ist, spürt man bei den Gesprächen trotz aller Verzweiflung, dass irgendwo tief im Inneren ein kleines Licht der Hoffnung brennt. Und so wie sich auf dem Adventskranz nicht nur eine Kerze  befindet, so sitzt ein Mensch bei uns im Freundeskreis auch nicht allein in der Runde. Es ist immer jemand da, der als Kerze der Hoffnung bei seinen Mitmenschen im großen Kreis das erloschene Licht des Glaubens, der Liebe und des Frieden wieder zum Aufflackern bringen kann. Es liegt dann an jedem Einzelnen selbst, wie er mit dem kleinen neuen schwachen Licht umgeht, wie er es behütet und zu einer großen Flamme, zu einem Licht werden lässt, das auch seine Umgebung und Mitmenschen wahr nimmt und ihm Kraft gibt.

Wenn wir uns immer wieder bewusst werden und wir es die Freundinnen und Freunde in unserem Kreis in unserem symbolischen Adventskranz spüren lassen, dass es immer eine Hoffnung gibt und dass das Licht der Hoffnung es immer wieder schafft, Veränderungen herbeizuführen, dann lassen sich viele dunkle Tage leichter überstehen. Dann zweifeln wir sicher noch an vielen Dingen und Situationen, aber wir verzweifeln nicht, denn mit der Hoffnung wird auch der Glaube, die Liebe und der Friede wieder zurückkehren und gemeinsam die dunkle Straße, den langen düsteren Tunnel oder die tiefschwarze Nacht, in der wir uns befinden, nach und nach wieder erhellen und uns erwärmen.

Wir als Freundeskreisler haben eine gemeinsame Plattform mit festem Untergrund, einen geschützten Raum gefunden, in dem es auch einmal stürmisch zugehen kann, aber immer darauf geachtet wird, dass das Licht der Hoffnung nicht erlischt, sondern zum Entzünden neuer Lichter fähig wird. Sind wir immer dankbar dafür und lasst uns dies gerade einmal mehr in der Weihnachtszeit bewusst werden.

Tragen wir das Licht der Hoffnung nach draußen zu unseren Mitmenschen, öffnen ihnen die Türen und bieten Ihnen schützend unsere Mitte an, damit sie die Kraft sammeln können, welche sie für das Entzünden weiterer Lebenslichter brauchen.

Denken wir aber auch an die Menschen, denen das Friedenslicht gewaltsam ausgeblasen wurde, für welche die Hoffnung auf Frieden ein so existentielles Licht ist, wie wir uns das wohl hierzulande nicht vorstellen können. Vermitteln wir diesen Menschen, die aus sehr unsicheren Gegenden bei uns den Frieden erhoffen, das Gefühl willkommen in unserer friedlichen Mitte zu sein, wenngleich wir manchmal dem Frieden nicht trauen und die Friedenskerze sehr geschützt werden muss, damit sie und ihr Licht den heutigen Zeiten stand hält.

Und welchen Halt bietet uns der Glaube, denn ist nicht die Geburt Jesus Christus die große Hoffnung für die Christenheit auf dieser Erde? Wenn dies auch unter dem Jahr oftmals in den Hintergrund tritt, so sollten wir uns doch gerade an Weihnachten dies einmal mehr bewusst machen. Unser Glaube sollte uns stärken, aber wir sollten auch respektieren, dass es eine große Zahl von Menschen gibt, welche auch einen tiefen Glauben haben, auch wenn dies kein christlicher ist. Jedem Menschen kann sein Glaube helfen, sein Leben zu meistern, aber dabei ist ganz wichtig, dass jeder auch die Glaubensansichten des anderen respektiert und nicht versucht, dessen Glaubens-Kerze zum Erlöschen zu bringen.

Mit der Hoffnung, dem Glauben und dem Frieden kann auch wieder die Liebe in den Herzen der Menschen ihren Platz einnehmen. Die Liebe erwärmt das Innere in uns und wer nicht friert, sondern sich wohl fühlt, wird nicht egoistisch sein, sondern seine Liebe mit anderen Menschen teilen. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst heißt es in der Bibel. Wenn dies eine positive Kettenreaktion geben soll, dann müssen wir erst einmal mit uns, unserer Umwelt, unseren persönlichen Gegebenheiten ins Reine kommen, und um uns selbst lieb haben zu können, müssen wir uns unsere Fehler, unsere Unzulänglichkeiten, unsere Bitterkeit und unsere Enttäuschungen verzeihen.

Gehen wir es gemeinsam an, dass unsere Lichter der Hoffnung, der Liebe, des Friedens und des Glaubens immer am Leuchten sind und reichen wir das Feuer an die weiter, bei denen es gerade einmal erloschen ist.

In diesem Sinne wünsche ich euch allen eine frohe Weihnachtszeit und ich drücke euch die Daumen, dass es die Hoffnung bei euch im neuen Jahr schafft, alle Kerzen in euch nicht nur am Lodern, sondern mit einer großen kräftigen Flamme zu erhalten. Alles Gute für 2016.