Familienausflug vom 19. - 22.6.2014

In Gemeinschaft etwas positives erleben zu dürfen, über mehrere Tage ein Gefühl zu spüren, ich gehöre trotz aller sozialen Unterschiede dazu, daran können sich viele Suchtkranke und ihre Familienangehörigen meist nur noch  vage erinnern. Dies ist nur ein Punkt, warum viele unserer Gruppenmitglieder sich alle zwei Jahre auf den Familienausflug freuen.

So trafen sich am frühen Morgen des Fronleichnamtages viele Ausflugserfahrene, aber auch „Neulinge“ pünktlich zur Abfahrt am vereinbarten Treffpunkt. Für viele der Teilnehmer/innen war es seit Jahren die erste Möglichkeit für ein paar Tage aus ihrem meist nicht immer einfachen Alltag herauszukommen, weil sie entweder nicht die Mittel für eine individuelle Fahrt haben oder einfach alleine der psychischen Belastung nicht gewachsen sind, welche die Planung und Durchführung einer Zeit außerhalb der geschützten eigenen vier Wände mit sich bringt. 

Wir wären nicht der Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe, wenn wir dies alles nicht berücksichtigen würden und uns gegenseitig die Unterstützung und Hilfe geben, auf die der Einzelne angewiesen ist. Mit diesem Wissen starteten wir unsere Fahrt in Richtung Thüringer Wald und die Anspannung des einen oder anderen legte sich spätestens als Torsten, welcher mit Uta die Familienfahrt geplant hat, uns mit dem Ablauf der Fahrt, mittels einer interessant gestalteten Reisebeschreibung, sowie den organisatorischen Informationen versorgte, Fragen beantwortete und jedem das Gefühl gab, sich in guten Händen zu befinden

Unser kompetenter, freundlicher und hilfsbereiter Busfahrer hatte sich schon im Vorfeld auf seine Reisegruppe eingestellt und es war ein suchtmittelfreier Bus, d.h. es waren keine alkoholischen Getränke an Bord, dafür konnte sich jeder am frisch gebrühten Kaffee aus der Bordküche bedienen.

Wie es heutzutage leider üblich ist, kamen auch wir bei unserer Fahrt ohne Stau auf der Autobahn nicht aus und nach einer kleinen technischen Buspanne erreichten wir dann mit Verspätung unser ersten Ziel die Stadt Eisenach mit der bekannten Wartburg. Nach einer kleinen Stärkung konnten wir trotz Verspätung noch die geplante Wartburg-Führung antreten und hatten hier das Glück, von  einer wirklich kompetenten Führerin die Wartburg, ihre Geschichte, die Menschen die hier wirkten und die geschichtlichen Zusammenhänge erklärt und veranschaulicht zu bekommen.

Mit angeregten Gesprächen über unser neues oder aufgefrischtes Wissen aus der Burgführung setzen wir unsere Fahrt Richtung Zielort Meiningen fort. Dort wurden wir im Hotel im Kaiserpark herzlich empfangen und jeder hatte im nu ein sauber und praktisch eingerichtetes Zimmer bezogen.

Kurz frisch gemacht und dann ging es in den Henneberger Hof, wo wir in den nächsten Tagen einige unserer warmen Mahlzeiten einnehmen werden. Für alle sehr vorteilhaft hatten unsere Ausflugsplaner die „Essensfrage“ gelöst. Bereits im Vorfeld wurde uns die Möglichkeit gegeben unter 3 – 4 Gerichten zu wählen, so dass jeder in Ruhe entscheiden konnte, ob er zum Beispiel vegetarische oder landesübliche Kost genießen möchte. Der Gastronom konnte sich so vorbereiten und wir wurden dadurch schnell und relativ kostengünstig verpflegt.

Man merkte schon am ersten Abend, wie wohltuend es ist, gemeinsam an einer großen Tafel zu sitzen und zu essen. Bei vielen Alleinstehenden, aber auch bei unseren Familien kommt diese soziale Komponente des gemeinsamen Essens meistens viel zu kurz, dabei haben doch gerade die Tischgespräche mit den Alltagserlebnissen eine so wichtige Bedeutung für Körper, Geist und Seele und dies nicht nur bei Menschen mit einer Suchterkrankung und ihren Angehörigen.

Genauso wichtig war in den kommenden Tagen das gemeinsame Frühstück, welches stressfrei und ohne Hektik erfolgen konnte. Hier musste keiner wegen Zeitdruck oder anderer Widrigkeiten das Frühstück ausfallen lassen, sondern alle freuten sich auf  das reichhaltige Frühstücksbuffet, was auch daran erkennbar war, dass alle mehr als pünktlich sich im Frühstücksraum einfanden.

Mit einem Reiseführer aus Meiningen ausgestattet starteten wir am 2. Tag zu einer Rundfahrt in den Thüringer Wald, mit Stationen in Suhl, sowie Oberhof mit seinem Wintersportleistungszentrum. Ein besonderes Highlight war der Besuch des Rennsteiggartens mit seinen vielen Pflanzen aus der Alpenregion und anderen Teilen unserer Erde mit extremen Vegetationsbedingungen.

Neben diesen Führungen waren die gemeinsamen Stunden geprägt von Gesprächen zu Zweit oder in kleinen Gruppen, mit Lebenserinnerungen vor der Suchterkrankung, aber auch aus schweren Zeiten, verbunden mit der Dankbarkeit im Freundeskreis ein soziales Netz und die Chance zur Selbsthilfe gefunden zu haben und wie wichtig die gesellschaftliche und staatliche Unterstützung dieser Arbeit ist, um die Menschen wieder als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft und der Arbeitswelt werden zu lassen. Einen nachhaltigen positiven und dankbaren Eindruck hat hier die Unterstützung der AOK Gesundheitskasse, durch projektgebundene Fördermittel, hinterlassen. 

Bei unserem Familienausflug steht natürlich nicht nur die kulinarische und kulturelle Komponente im Fokus, sondern es geht selbstverständlich immer um Themen aus unserer Arbeit, welche wir für die Menschen in unseren Gruppen für unerlässlich halten, was die persönliche und familiäre Entwicklung im Gesundungsprozess betrifft. So war es klar, dass wir uns auch in diesem Jahr einem Thema zuwenden würden. Mit der Methode des sogenannten „World Cafe`“, das zum Ziel hat, Menschen miteinander über bestimmte Fragestellungen in Gespräch zu bringen, haben wir uns als Oberbegriff mit dem Thema gemeinsame Veranstaltungen, was bringt es dem Einzelnen, der Gruppe, dem Verein, was erwartet der Einzelne, was ist er bereit und kann er dazu einbringen, auseinandergesetzt.

In den sechs Tischen, wo der „Gastgeber“ nach c. 20 Minuten immer neu zusammengesetzte Gäste begrüßte, wurde eine intensive und auf die Vorgängererkenntnisse aufgebaute Themenbearbeitung geleistet. Mit dem notwendigen Ernst, aber auch mit viel Spaß an dieser Form der Kleingruppenarbeit wurden gemeinsame Erkenntnisse erarbeitet, die für die künftige Gruppen- und Vereinsarbeit, aber auch für die Entwicklung und das Engagement des Einzelnen oder der Familie von Bedeutung sein werden.

Gemeinsames musizieren und singen gehört heutzutage nicht nur zum therapeutischen Standard dazu, sondern ist auch bei den Seminaren und Veranstaltungen der Selbsthilfe ist sie nicht mehr wegzudenken. So war es klar, dass Liedtexte neuerer und älterer englischer und deutscher Lieder vorbereitet waren und mit Unterstützung unseres Gitarrenspielers klappte es von Lied zu Lied besser und auch die Anfangs noch Skeptischen stimmten bald mit ein.

Der kulturelle Höhepunkt war dann der Besuch einer Vorstellung des bekannten Meininger Theaters mit dem Titel „Der nackte Wahnsinn“. Hier war es auch für den einen oder anderen Ausflugsteilnehmer eine Premiere einmal ein Theater zu besuchen. Man merkte es an der Aufregung, aber im Kreise von Freunden findet man sich leichter mit Neuem zurecht.

Der Besuch im Theatermuseum und im einzigartigen Dampflokwerk Meiningen jeweils mit fachkundigen Führung verbunden, rundete das kulturelle und technische Programm in Meiningen ab.

Leider vergingen die Tage viel zu schnell und wir starteten am Sonntag morgen zwar Richtung Heimat, aber es war noch ein sehr interessanter Zwischenstopp in Schmalkalden eingeplant. Ein kleines Städtchen mit vielen Fachwerkhäusern und einer abwechslungsreichen Geschichte, wie wir von unserer Stadtführerin erfuhren. Vom Rathaus aus gingen wir durch die geschichtsträchtigen Straßen und Gässchen bis hoch zum Schloss Wilhelmsburg. Dass so  ein Rundgang hungrig macht versteht sich von selbst und so waren wir froh, als wir unsere reservierten Plätze im Ratskeller einnehmen konnten, wo dann die letzte Möglichkeit bestand noch einmal Thüringer Klöße zu essen. Gut gestärkt verließen wir unser gemütliches Lokal und wie es so ist, wenn Freundeskreisler unterwegs sind, machte auch noch die italienische Eisdiele am Marktplatz ihren Umsatz.

Dann ging es endgültig nach Hause und nach zwei Pausen auf den Rastplätzen deutscher Autobahnen kamen wir dann frohgelaunt, sicher auch etwas müde, aber vor allem mit vielen neuen Eindrücken und einem tollen Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt wieder in Karlsruhe an.

Einen herzlichen Dank  an unser Organisationsteam Uta und Torsten, die unseren Familienausflug geplant und mit uns durchgeführt haben. Die sich dafür eingesetzt haben, dass dies alles zu einem sozialverträglichen Eigenbeitrag erfolgen konnte. Diesem nicht  hoch genug zu würdigendem Engagement und der finanziellen Unterstützung der AOK Gesundheitskasse ist es zu verdanken, dass wir zusammen mit einem Zuschuss aus der Vereinskasse diese Fahrt durchführen konnten.

Dieter Engel