Mehrfachabhängigkeit

Bericht über ein Referat anlässlich des 1. Suchthilfe-Fachtages in Baden

Die Teilnehmer dieses Forums hattenn als Referenten und Moderator einen ausgesprochenen Fachmann mit langjähriger Praxiserfahrung, nämlich den Suchtbeauftragten der Stadt Karlsruhe, Herrn Rainer Blobel.

Von Mehrfachabhängigkeit spricht man, wenn eine ausgeprägte Abhängigkeit von mehreren Substanzen vorliegt, welche wahllos konsumiert werden, ohne dass eine bestimmte Substanz hervorstechen muss. Herr Blobel erläuterte den Teilnehmern die Definition nach ICD 10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen) das Abhängigkeitssyndrom der WHO. Weiter wies er in seinen einführenden Worten in dieses schwierige und umfangreiche Thema der Mehrfachabhängigkeit auf die rasanten Veränderungen in diesem Suchtbereich hin. Immer schneller kommen neue und abstrusere Mittel und Wirkstoffe auf den Markt, denen besonders junge Konsumenten zugeneigt sind.

Das Thema dieses Fachtages „Suchtformen im Wandel“ wird hier besonders deutlich. Dem Missbrauch von Medikamenten wird heutzutage durch das Internet mit seinen Bestellmöglichkeiten in der ganzen Welt praktisch Tür und Tor geöffnet, z.B. durch generische Lyrica, besser als sogenannte Glückspille bekannt. 

So liegt inzwischen auch bei 16 – 53 % der Alkoholabhängigen ein zusätzlicher Missbrauch von Benzodiazepinen vor. In seinem Streifzug durch die Artenvielfältigkeit der Drogen, ob legal, wie z.B. Alkohol oder den illegalen Drogen, zeigte er auch die Wirkung von GHB und GBL auf, nämlich von Gamma Hydroxybuttersäure (KO-Tropfen) und Gamma-Butyrolacton, das besser als Felgenreiniger bekannt ist. 

Nun stellte er den Forumsteilnehmern folgende Frage: Was tun?! Konsequenzen für

  • die Beratung
  • die Entzugsbehandlung
  • die Entwöhnung
  • die Substitution
  • die Prävention

Bei der anschließenden Diskussion der Teilnehmer, die aus den unterschiedlichsten Bereichen der professionellen Suchthilfe und der Suchtselbsthilfe kamen, wurden sehr viele Mängel festgestellt, aber auch klare Verbesserungsansätze genannt. Hier ein paar Stichworte, welche den Forumsteilnehmern besonders wichtig erschienen:

  • Bessere Diagnostik
  • System nicht adaptiert
  • Betreuungsschlüssel (Zeit/finanzielle Mittel) nicht ausreichend
  • Ursachen anschauen
  • Veränderung in der politischen Einstellung
  • Verantwortung durch KOD und Polizei wird oft nicht übernommen
  • Erreichbarkeit der Klientel
  • Verfügbarkeit der Hilfsangebote
  • Nicht nur Drogen sind psycho-trope Substanzen
  • lternativer Unterricht für Kinder/ Jugendliche, z.B. Thema Glück
  • Schaffung von Sicherheit an einem inneren Ort, z.B. Elternhaus
  • Eltern eher fördern und unterstützen anstatt nur zu fordern

Es kam auch von allen Seiten klar zum Ausdruck, dass in der Suchthilfe und bei vorbeugenden Maßnahmen gegen die Verbreitung von Suchtmitteln, auch den sogenannten Legalen (Tabak/Alkohol, Medikamente usw.) stark gegen Lobbyismus angekämpft werden muss und man sich nicht von Rückschlägen entmutigen lassen soll. Mit dem Spruch „Wer als einziges Werkzeug über einen Hammer verfügt, für den wird jedes Problem zum Nagel“ beendete Herr Blobel einen interessanten und lebhaften Einblick und Erfahrungsaustausch zur Mehrfachabhängigkeit.

Dieter Engel