Sucht im Alter

Abhängigkeit von Alkohol oder Medikamenten betrifft auch ältere Menschen. Häufig wird die Sucht nicht oder erst sehr spät erkannt. Informationen, Zahlen und Hintergründe zu Sucht im Alter bietet diese Übersicht.

 

Was bedeutet Sucht?

 

Sucht ist gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein „Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge“. Süchtige sind körperlich und/oder psychisch abhängig von dieser Droge, beispielsweise von Alkohol oder Tabletten. Auch eine bestimmte Verhaltensweise oder Tätigkeit, wie Glücks- oder Computerspiele, kann Menschen süchtig machen.

 

Abhängigkeit äußert sich durch verschiedene Merkmale. Diese werden durch Diagnosesysteme wie die so genannte „Internationale Klassifikation der Krankheiten psychischer Störungen “ ICD-10 oder das „Diagnostische und Statistische Handbuch Psychischer Störungen“ (DSM-V – Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) beschrieben.

Einige Beispiele für diagnostische Kriterien der Abhängigkeit:

 

  • starkes Verlangen oder eine Art Zwang, Substanzen oder Alkohol zu konsumieren
  • verminderte Kontrolle über die Einnahme (Beginn, Beendigung und Menge des Konsums)
  • körperliche Entzugserscheinungen
  • Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums
  • trotz Kenntnis der schädlichen Folgen fortgesetzter Gebrauch
  • Toleranzentwicklung (man benötigt höhere Dosen, um eine bestimmte Wirkung zu erreichen

Eine Abhängigkeit beziehungsweise Sucht liegt dann vor, wenn mindestens 3 Kriterien während des letzten Jahres erfüllt waren.

Wieso ist Sucht gerade im Alter ein Problem?

Sucht im Alter ist schwerer zu erkennen

Im Alter leben viele Menschen alleine und haben weniger soziale Kontakte. Eine Suchterkrankung wird daher selten oder oft erst sehr spät, zum Beispiel von Angehörigen oder Ärzten, entdeckt. Sucht bei älteren Menschen ist auch dadurch schwierig zu erkennen, dass ihre Symptome typische Begleiterscheinungen des Alters darstellen. So können Stürze, nachlassende körperliche Leistungsfähigkeit, Antriebs- und Interesselosigkeit oder Stimmungsschwankungen Zeichen einer Sucht sein, aber auch Anzeichen einer Depression, einer Demenz oder ganz normalen Alterns.

Welche besonderen Risiken haben ältere Menschen, süchtig zu werden?

Sucht im Alter hat vielfach soziale Gründe: Zunehmend mehr ältere Menschen leben in Armut. Häufig sind sie sozial isoliert und leiden unter mehreren, auch chronischen Erkrankungen. In höherem Lebensalter müssen sich Menschen zudem verstärkt mit psychisch belastenden Themen auseinandersetzen. Dazu zählen beispielsweise der Bedeutungsverlust nach dem Ende der Erwerbstätigkeit, der Tod des Lebenspartners oder auch das Bewusstsein über die eigene Endlichkeit.

Auch die körperlichen Risiken sind bei älteren Menschen anders als bei jüngeren. So ist beispielsweise der Stoffwechsel älterer Menschen verlangsamt, der Flüssigkeitshaushalt im Körper sinkt. Stoffe wie Alkohol werden durch die Leber nicht mehr so gut abgebaut. Die körperlichen Schäden sind höher als bei jungen Menschen.

 

Ein weiteres Risiko: Viele ältere Menschen nehmen eine Vielzahl unterschiedlicher Medikamente ein. Diese können teilweise süchtig machen. Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel haben ein besonders hohes Suchtpotenzial.

 

Hinzu kommt: Sucht im Alter ist in der Gesellschaft ein Tabuthema und wird als Problem an sich sowie in seinem Ausmaß häufig ignoriert oder unterschätzt.

 

Hintergrund und Zahlen

 

Belastbare repräsentative Zahlen zu Suchterkrankungen älterer Menschen liegen kaum vor, die Angaben beruhen zum Teil auf Schätzungen.

 

In Deutschland sind rund 400.000 Menschen über 60 Jahren alkoholsüchtig.

 

Bis zu 2,8 Millionen ältere Menschen nehmen nach Schätzungen zu viele so genannte psychoaktive Medikamente wie Schlaf-, Schmerz- oder Beruhigungsmittel ein.

 

Gemäß einer Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums haben etwa 14 Prozent der Menschen, die von ambulanten Pflegediensten oder in stationären Einrichtungen der Altenhilfe betreut werden, Alkohol- oder Medikamentenprobleme.

 

Bewertung der Diakonie Deutschland

 

Sucht im Alter ist in Deutschland nach wie vor ein Tabuthema. Auch das Ausmaß wird häufig unterschätzt. Dies sind mit Gründe dafür, dass Abhängigkeitserkrankungen älterer Menschen häufig unentdeckt bleiben oder erst sehr spät auffallen. Wichtig ist nach Ansicht der Diakonie daher, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Dringend notwendig ist es, Mitarbeitende in der Sucht- und Altenhilfe gezielt für die Bedürfnisse dieser älteren Zielgruppe zu qualifizieren sowie spezielle Konzepte für ältere Menschen mit Suchtproblemen zu entwickeln. In den letzten Jahren hat sich die Suchthilfe zwar zunehmend auf die ältere Zielgruppe eingestellt. Sie erreicht jedoch immer noch zu wenige Menschen. Wichtig ist deshalb, dass sich Sucht- und Altenhilfe besser vernetzen und regional kooperieren. Zudem fordert die Diakonie Deutschland, offene, gemeinwesenorientierte und auch aufsuchende Angebote auszubauen, um mehr ältere suchtkranke Menschen zu erreichen, da sie häufig in ihrer eigenen Wohnung leben und durch die bestehenden Hilfsangebote vielfach nicht angesprochen werden.

 

Darüber hinaus plädiert die Diakonie dafür, die Kontakte zwischen der Sucht- und Altenhilfe sowie dem Gesundheitssystem zu intensivieren und zu institutionalisieren. Dazu zählen zum Beispiel verbindliche Kooperationen zwischen Pflegeheimen und regionalen Apotheken die sicherstellen, dass die suchtkranken Menschen angemessen medikamentös versorgt und beraten werden. Institutionalisierte Gespräche, gemeinsame Fallbesprechungen oder Fortbildungen von Ärzten und pflegenden Mitarbeitenden können einen sachgerechten Umgang mit Psychopharmaka und anderen Medikamenten erleichtern. Fortbildungen für Hausärzte, die für das Thema Sucht im Alter sensibilisieren, können dazu beitragen, dass mehr Menschen, die abhängig sind, auch als krank erkannt werden und Hilfe erhalten.

 

Text: Diakonie/Sarah Schneider und Ulrike Pape

 

Die Veröffentlichung dieses Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Diakonie Deutschland www.diakonie.de