Weihnachtsansprache 2012

Liebe Freunde, liebe Gäste,

Weihnachten feiert ihr, so denke ich und feiere ich selbst schon seit Jahren wie selbstverständlich, ohne sich große Gedanken zu machen. Die meisten gehen in die Kirche und auch dort begehen wir Weihnachten fast immer nach dem gleichen Ablauf und mit den gleichen Texten aus der Bibel. In jüngeren Jahren oder wenn man dann Enkel hat ist es ein fröhlicher Familiengottesdienst mit Krippenspiel und die Kinder haben viel Freude. Aber auch viele Weihnachtsfeiern besucht man so im Laufe seines Lebens, welche mal mehr oder weniger feuchtfröhlich oder besinnlich sind oder waren. Man hört den Reden zu oder auch nicht, weil man sehnlich auf Kaffee und Kuchen oder das kalte Büffet wartet und ist froh, wenn dann dieser Punkt im Programm abgehakt ist.

Auch darüber habe ich mir nie große Gedanken gemacht, bis ich vor ein paar Wochen an den Punkt kam, Mensch du bist ja dieses Jahr dran, die Weihnachtsansprache hier zu halten und dann ging das Gedankenkarussell los - Weihnachten und Freundeskreis - was verbindet - was gibt es hier für Berührungspunkte - wo könnte sich der Kreis schließen. Ehrlich gesagt, es war gar nicht so einfach. Dann habe ich mir überlegt, was kommt in der Weihnachtsgeschichte und rund um die Geburt Jesus so vor. Da fiel mir spontan der Stall ein, bei welchem Maria und Josef Unterschlupf und Schutz fanden und dass sie, als sie den Stall betraten, nicht wussten, was sie erwartet und noch auf sie zukommen wird.

Ich würde jetzt unsere Aufenthalts- und Empfangsraum und unsere Gruppenräume wahrlich nicht als Stall bezeichnen, aber wir alle und jedes Jahr viele neue Suchende, Suchende nach Hilfe, nach Verständnis, nach einem Neuanfang, erfahren vom Zufluchtsort Adlerstraße und finden in der Nr. 31 offene Türen. Auch diese Menschen haben meistens einen langen Weg hinter sich, einen langen Weg in der Sucht, mit Selbstzweifel, Schicksalsschlägen und jeder weiß, was einem auf diesem langen Weg sonst noch das Leben so schwer gemacht hat. Sie treten also ein wie Maria und Josef, sind zwar jetzt irgendwo angekommen, wissen aber nicht, wie es nun weiter geht.

In dem Stall steht eine Krippe mit einem kleinen Kind, einem Neugeborenen darin. Es ist voller Leben, aber erst mal auf Hilfe zum Überleben angewiesen. Auch wer sich auf den Weg macht ein Leben ohne Sucht führen zu wollen, ist meistens so hilflos wie ein Kind, das ohne helfende Hand nicht allein groß werden kann. Und auch so wollen wir jedem Menschen die Geborgenheit geben, damit er wieder alleine Laufen und das Leben mit allen seinen Hürden meistern lernt.

Und da gab es noch die Hirten und die drei Weißen in dem Stall. Auch so sitzen wir alle im Kreis, mit dem Neuen, der von Unsicherheit, Ungewissheit und oftmals Ängsten geplagt wird, aber hoffentlich schnell merkt, dass er in dem Kreis willkommen ist, willkommen wie jeder neue Erdenbürger, wie das Kind in der Krippe. Auch spielten die Standesunterschiede der Menschen, die in den Stall nach Bethlehem gekommen waren, keine Rolle und waren sie bei den Weißen aus dem Morgenlande mit ihren wertvollen Geschenken noch so sichtbar. Auch im Freundeskreis ist jeder, egal welcher Herkunft, welcher Hautfarbe, welchen Glaubens oder sozialen Standes herzlich willkommen.

Wie die Geburt Jesu der Anfang einer besseren, gerechteren Welt, eines hoffnungsvolleren Lebens war, kann das Neuankommen im Freundeskreis der Beginn einer neuen Lebensausrichtung, ein Leben ohne die Geisel Sucht, also ein selbstbestimmtes Leben mit neuen Perspektiven sein. Und da gab es noch den Stern von Bethlehem, der hell am Himmel leuchtet und den Weg aufzeigen und eine Orientierung sein sollte. Auch wir im Freundeskreis brauchen und bieten einen Weg zur Orientierung. Wir können auch heute nicht den Himmel auf Erden haben oder nach den Sternen greifen, aber wir haben die Möglichkeit, wieder den Sternenhimmel klar und deutlich sehen zu lernen, ein Ziel zu verfolgen und mit Hilfe und den guten, aber auch bitteren Erfahrungen aller Freunde und Freundinnen uns unseren eigenen Weg zu bahnen und ihn dann eigenständig zu gehen.

Wie ihr seht gibt es doch sehr viele Berührungspunkte zwischen uns und dem Kind in der Krippe, die in diesem fremden Stall steht, umgeben von vielen Fremden, die aber bald Freunde sein werden, weil sie das gleiche Anliegen und den gleichen Wunsch nach einem neuen Leben haben, genauso wie wir vom Freundeskreis!

Weihnachten naht - das Fest der Besinnung. Drum zünde dir ein Licht an. Besinne dich, dass sich überall auf der Welt Menschen nach Frieden sehnen. Nach Liebe und nach mehr Menschlichkeit. Liebe die Menschen, dann wird man auch dich lieben. Vergiss nie, dass viele Menschen in Not sind und dich brauchen. Liebe die du verschenkst, kehrt in dein eigenes Herz zurück. Liebe kann so glücklich machen, wenn sie dein Herz berührt. Sei nicht nur zum Weihnachtsfest bereit, zu geben und zu nehmen. Schenke im ganzen Jahr deinen Lieben und allen Menschen deine Aufmerksamkeit. Vielleicht findest du dann auch Freunde fürs ganze Leben. Freunde, die dir mehr geben können als das schönste Weihnachtsgeschenk. Geschenke der Liebe kommen zurück zu dir.

In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein friedvolles, liebenswertes Weihnachtsfest, aber zunächst noch ein paar frohe Stunden hier in unserer Weihnachtsrunde. 

Dieter Engel