Die Spielergruppe im Freundeskreis Karlsruhe

Aktuelle Entwicklung und Einschätzung

Unsere Gruppe ist im Lauf der letzten Jahre gewachsen und hat sich fest etabliert. Neben der Tatsache, dass Glücksspiel gesellschaftlich ein immer größeres Thema ist und immer mehr Menschen davon betroffen sind, sind im Laufe der letzten Jahre zusätzlich Internet- und Computerspielsüchtige zu uns gestoßen und mittlerweile einen fester und wichtiger Bestandteil der Gruppe.

Allerdings besuchen uns trotz der steigenden Zahl von Computerspiel- und Internetsüchtigen noch relativ wenige Betroffene. Dies liegt an verschiedenen Faktoren. Zum einen führen diese Süchte im Gegensatz zum Glücksspiel nicht so offensichtlich in den finanziellen oder gesundheitlichen Ruin, zum anderen ist diese relativ „junge“ Sucht gesellschaftlich und medial als solche noch nicht akzeptiert. Dies erschwert dem oder der Süchtigen, sein Problem zu erkennen. Hinzu kommt, dass die Betroffenen oft noch sehr jung sind und sich naturgemäß schwer damit tun, sich als suchtkranker Mensch zu sehen und anzunehmen. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren, in denen diese Süchte zunehmen werden und immer mehr Menschen auch hier ihre persönliche Ausweglosigkeit erkennen, in Kürze eine große Welle von Suchtabhängigen aus dem Bereichen Computer- und Internetsucht auf uns zukommt. Auch die sozialen Netzwerke wie Facebook etc. und die Entwicklung der Smartphones, die ein hohes Suchtpotential besitzen, werden hierzu ihren „Beitrag“ leisten. Wichtig für uns als Freundeskreis wird es aber auch sein, diese Betroffenen zu erreichen und ihnen einen Raum zu bieten, in dem sie sich wohl fühlen.

Durch die rasante Entwicklung des Internets steigt allerdings nicht nur die Zahl von Internetsüchtigen, sondern auch die der Computer- und Glücksspielsuchtsüchtigen. Das Angebot unzähliger Spielportale (Browserspiele, Online Casinos, Sportwetten etc.) oftmals kostenfrei, funktioniert als Einstiegsdroge für hierfür anfällige Menschen. Die Schwelle zum aktiven Spiel wird hierdurch extrem abgesenkt. Hinzu kommen immer mehr Singlehaushalte und wachsende Vereinsamung; dieser Weg in die Sucht wird einer steigenden Anzahl potentiell Suchtabhängigen allzu leicht gemacht wird.

Was das Thema Glücksspiel anbelangt kommen in letzter Zeit immer jüngere Betroffene zu uns. Dies hat teilweise damit zu tun, dass die Medien in letzter Zeit verstärkt dieses Thema behandeln und Spielsucht hierdurch gesellschaftlich vermehrt als Krankheit akzeptiert wird. Hinzu kommt, dass die Generation Gameboy in den wachsenden und immer ansprechender ausgestatteten Spielhallen (die ehemaligen Daddelhallen sind ja mittlerweile richtiggehende Spielpaläste geworden) angekommen ist. Durch die immer raffinierteren Glücksspielautomaten, rasant gestiegene Gewinnmöglichkeiten, so wie früher nur in Casinos, entwickeln sich Spielerkarrieren schneller und heftiger, die ersten Zusammenbrüche kommen früher. Allerdings ist in dieser Altersgruppe die Fluktuation recht hoch, da es den Betroffenen in dieser frühen Phase subjektiv (im Vergleich zu den Anderen) noch „zu gut“ geht. Dennoch sammeln diese Betroffenen eine erste Erfahrung mit Selbsthilfegruppen und wissen wohin, wenn sie dann irgendwann nicht wirklich nicht mehr weiter wissen. Ich denke, dass wir viele Kurzzeitbesucher in den kommenden Jahren wieder sehen werden.

In letzten Jahren setzen wir uns in der Spielergruppe verstärkt mit dem Thema Co-Abhängigkeit auseinander, auch weil uns mehr Co-Abhängige besuchen als früher. Die Herausforderung für Co-Abhängige liegt hierbei, die Co-Abhängigkeit als solche zu akzeptieren und die damit verbundenen eigenen (destruktiven) Verhaltensmuster. Zu erkennen, dass man als Co-Abhängiger nicht Opfer, sondern Teil des Problems ist, dass also der suchtkranke Partner das Suchtmittel des Co-Abhängigen darstellt, ist ungleich herausfordernder als für einen Süchtigen, seine Sucht zu akzeptieren, wenn er erst einmal so weit ist.

Auch für die Gruppe ist der Umgang mit Co-Abhängigen eine zusätzliche und sehr spannende Herausforderung. Wir Spieler haben gelernt, sehr direkt und ungeschminkt miteinander umzugehen, wissend, dass der Freundeskreis und die Gruppe ein geschützter Raum ist, in dem niemand persönlich angegriffen oder verletzt wird. Deshalb bedauern wir uns nicht gegenseitig, sondern versuchen uns gegenseitig zu helfen, die eigenen sich selbst behindernden Verhaltensweisen – auch jenseits der Sucht – zu erkennen. Dies fällt offensichtlich beim Umgang mit Co-Abhängen jedoch schwerer – da wir immer im Hinterkopf haben, dass der Co-Abhängige das Opfer von uns Spielern ist und dabei übersehen, wie viel der Co-Abhängige die Sucht des Partners am Leben erhält. Aber wir als Gruppe entwickeln uns durch alle diese neuen Herausforderungen weiter – es droht somit ganz sicher kein Stillstand.

Obwohl wir uns den genannten gesellschaftlichen, politischen und technologischen Entwicklung sehr bewusst sind, konzentrieren wir uns aber in der Gruppe nach wie vor auf uns und auf das, was wir  - also jeder von uns - tun können, suchtfrei und zufrieden zu leben. Die Tatsache, dass wir nicht nur Glücksspielsüchtige, sondern auch Computer- und Internetsüchtige in der Gruppe haben, hilft uns dabei, zu erkennen, dass es nicht nur darum geht (Glücks)spielfrei zu ein, sondern darum, sein Leben zu gestalten – das ist die wirkliche Herausforderung. Deshalb planen wir auch, zusätzlich zu den Gruppenabenden, in unserer Freizeit gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen, die die Lebensqualität steigern und zusätzliche positive Erfahrungen schaffen.

Im Freundeskreis achten wir stets auf einen respektvollen und freundschaftlichen Umgang miteinander und erleben, dass es nicht nur Notwendigkeit, sondern auch ein Privileg ist, sich einmal die Woche die Zeit zu nehmen, sich um sich selber zu kümmern.

Phillipp von Sell