Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe Karlsruhe e.V.

Adlerstr. 31  -  76131 Karlsruhe  -  Tel.:  0721 34890

„Was uns trennt, was uns verbindet?“

Vom 19.- 21. Juni 2015, fanden wir, 25 (angehende) Gruppenbegleiter aus dem Freundeskreis Karlsruhe und dem Freundeskreis Nova Vita Mannheim, zwei Hunde und Herr Huber, Diplom-Psychologe und langjähriger Leiter der Suchtberatungsstelle Karlsruhe, uns zum zwei jährig stattfindenden Gruppenleiterseminar des Freundeskreises Karlsruhe zusammen. 1956 als eine Plattform zum Erfahrungsaustausch in der „Trinkerheilanstalt“ für alkoholkranke Menschen und deren Angehörige ins Leben gerufen, tummeln sich heute in den Gesprächsgruppen des Freundeskreises neben den „traditionellen Suchtformen“ (Alkohol und Drogen) SpielerInnen, Medien- sowie Medikamentenabhängige, Menschen mit Essstörungen (Anorexie, Bulimie, Binge-Eating) und nicht zuletzt weiterhin Angehörige und Co-Abhängige. Kurzum, ein bunter Haufen (verrückter) Individuen, von denen ein jedes seine Geschichte zu erzählen weiß – von der ersten Begegnung mit dem Suchtmittel, der „Suchtkarriere“, des Absturzes, des Aufpralls, der (zahlreichen) Neubesinnung(en), der Suche nach neuen Wegen, Probleme auf konstruktive Weise zu lösen - die Geschichte des Ressourcen fordernden und –fördernden Projekts, „eigenverantwortlich mein Leben zu leben“.

In Anbetracht der Vielfalt der Suchtproblematiken, die sich mittlerweile in den Gesprächskreisen zusammenfinden, stand im Mittelpunkt des Seminars die Frage, ob uns vielfältig Suchtkranke, Angehörige und Co-Abhängige nun mehr verbinde oder trenne, ob weiterhin Bedarf nach Suchtmittel-spezifizierten und/ oder separaten Gruppen für Angehörige und Co-Abhängige bestehe und inwieweit sich die Arbeit in den unterschiedlich konstituierten Gruppen in den letzten Jahren als effektiv erwiesen habe.

Fachlichen Input zu den Fragestellungen lieferte Herr Huber. In seinem Vortrag stellte er, rekurrierend auf den international anerkannten und in Europa eingesetzten Diagnoseschlüssel (ICD 10), Studienergebnisse zu den vier Entstehungsfaktoren von Suchtkrankheiten – der Genetik, der Neurophysiologie, der individuellen psychischen Konstitution und des sozialen Umfelds– vor und verglich sie auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede über die Suchtmittelspezifität hinaus. Herr Hubers Bilanz, dass bei der Entstehung wie auch der Bewältigung jeglicher Suchtproblematiken dieselben psychosozialen Grundkonflikte zu Grunde lägen, wurde durch die Erfahrungsberichte jener GruppenbegleiterInnen untermauert, die in den letzten Jahren die Gruppenabende bereits nach dem Konzept der „gemischte Gruppen“ gestalteten. Der Erfahrungsaustausch über Suchtmittelgrenzen hinweg habe bisher, so die GruppenbegleiterInnen einstimmig, mehr Parallelen hinsichtlich der emotionalen und psychosozialen Grundthematiken aufgewiesen, denn dass signifikante Unterschiede zu Tage getreten wären.

Da sich die Kernproblematiken jeder Sucht, so Herr Huber, meist im Konfliktfeld der für die Identitätsbildung maßgeblichen Frage nach Nähe und Distanz sowie nach Zugehörigkeit und Autonomie konstituierten, sei es ohne weiteres möglich und der Bearbeitung der eigentlich relevanten Themen sogar förderlich, durchmischte Gruppen zu bilden. Die anfängliche Unsicherheit und Skepsis gegenüber den „neuen, exotischeren Suchtformen“ (Spielsucht, Essstörungen etc.) und wie mit diesen umzugehen sei, habe sich, so der Erfahrungswert der bereits bestehenden gemischten Gruppen, als nichtig erwiesen. Im Gegenteil, würden die Gruppengespräche von der neuen Dynamik durch die Vielfalt der Süchte und das erweiterte Altersspektrum der Gruppenmitglieder, das sich durch den Zulauf junger Betroffener mit Essstörungen, Medienabhängigkeit, etc. in den letzten Jahren ergeben habe, profitieren. Auch ich, die ich als „Vertreterin der jüngeren Generation und der exotischeren Suchtformen“ dieses Jahr zum ersten Mal am Gruppenleiterseminar teilnahm, kann dem nur beipflichten. Der Austausch über Generationsgrenzen hinweg, ermöglicht mir einen Perspektivenwechsel und zeigt mir nicht selten Problemlösungsstrategien auf, auf die ich in Eigenreflexion wahrscheinlich erst zu einem späteren Zeitpunkt aufmerksam geworden wäre.

Neben dem Plädoyer für „gemischte Gruppen“, sprachen sich einige SeminarteilnehmerInnnen für das Konzept spezifizierter Gruppen aus. Der Anreiz eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen läge oft darin begründet, sich mit „Gleichgesinnten“ austauschen zu können und sei gerade für unerfahrene Gruppenmitglieder essentiell, um sich auf das Projekt Selbsthilfe einzulassen.

Ebenso fordert die Pluralität der Süchte bei den Gruppenabenden und der Planung von Aktivitäten eine neue Sensibilität für die Konfrontation mit den Suchtmitteln. Wie steht es beispielsweise mit einem bunten Abend unter dem Motto „Casino Royal“ oder dem Überangebot von Knabbergebäck vor den Gesprächsrunden? Im Interview mit den Betroffenen der jeweiligen Suchtformen gelang es uns, unseren Blick für derartige Problematiken zu schärfen und situativ, auf die Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt, konkrete Lösungen zu finden.

Alles in allem wurden uns an diesem Wochenende zahlreiche Anstöße gegeben, die Arbeit des Freundeskreises der letzten Jahre mit einem positiven Fazit zu bilanzieren, unser Fachwissen bezüglich der Süchte und strukturellen Veränderungen aufzufrischen und wurden dazu angehalten, regelmäßig und situativ, die Transformationsprozesse hinsichtlich der Bedürfnisse der GruppenteilnehmerInnen zu reflektieren und gegebenenfalls alte Strukturen aufzubrechen und zu verändern. 

Carolin Kübler